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Feature 5

Roar!! – Die Berliner Shakespeare Players

Plakat A Midsummer Night's Dream 2001
Shakespeare Players Logo
A Midsummer Night's Dream 2001: Thisbe says adieu (Marian Heidbreder)
A Midsummer Night's Dream 2001 Oberon (Sebastian Tentscher) and Puck (Sven Pohl)

A Midsummer Night’s Dream 2001

 

von Martina Baasner

Roar! – das Brüllen des Löwen, den Bottom auch noch spielen will, ist der Schlachtruf der Shakespeare Players, mit dem wir uns vor unseren Auftritten anfeuern. Wir sind eine Theater-Arbeitsgemeinschaft an der Wilmersdorfer Friedrich-Ebert-Oberschule, die sich Shakespeares Werke auf das Programm geschrieben hat und jedes Jahr im Juni ein Theaterstück auf Englisch aufführt. 2001 war es A Midsummer Night’s Dream, 2002 Twelfth Night or What You Will, 2003 Much Ado About Nothing, 2004 The Merry Wives of Windsor, 2005 As You Like It und 2006 werden wir The Winter’s Tale spielen. In Planung für 2007 ist ein Stück aus der späten Schaffensphase, und zwar The Tempest, das wir als Musical aufführen wollen.

Wir begrüßen bei uns nicht nur unser Schulpublikum, sondern auch Zuschauer aus der ganzen Stadt, Englisch- und Theaterkurse anderer Schulen sowie unser Stammpublikum, das auch Anglistikprofessoren der Berliner Universitäten umfasst. Dass unser tempo- und aktionsreiches wie auch spielfreudiges Theater beim Publikum gut ankommt, freut uns besonders, denn so können wir Shakespeares Werke im Original auch einem jüngeren Publikum an der Schule zugänglich machen.

Seit dem Sommer 2000 existieren die Shakespeare Players, die sich nach einer erfolgreichen Teilnahme unserer Schule an einem Theaterwettbewerb für Schüler in England gebildet haben. Am Charles Cryer Theater im Londoner Bezirk Carshalton (Surrey) fand 2000 eine ‚SHAKESPEARE COMPETITION‘ statt, ein Wettbewerb für Schüler aus europäischen Schulen, die Unterricht im Schulfach Darstellendes Spiel haben oder sich mit Theaterspielen befassen. Kurze Szenen aus Shakespearestücken sollten auf Englisch dargeboten werden. Dazu fuhren 14 Schülerinnen und Schüler aus unseren Leistungskursen Englisch, die mehrere Monate lang mit mir Szenen einstudiert hatten, im Rahmen einer Kursfahrt nach London. Eine Schülerin und ein Schüler aus unserer Gruppe gewannen Preise für die Rollen der Phoebe (‚Think not I love him‘, As You Like It) und Bottom (Szene ‚What angel wakes me from my flowery bed‘, A Midsummer Night’s Dream) und dieser beglückenden Erfahrung verdankt die Arbeitsgemeinschaft Shakespeare ihre Existenz.

Twelfth Night 2002 Poster Antonio (Oliver Krüger)
Twelfth Night 2002 Aguecheek's (Marian Heidbreder) challenge is read by Sir Toby (Daniel Postpieszala) and Maria (Maxie Großmann) Fabian (Oliver Lehmann)
Twelfth Night 2002 Viola (Nina Wegscheider) almost forgets she is in disguise, Orsino (Cem Avsar) Valentine (Konrad Arndt)
Twelfth Night 2002 Malvolio (Jan Schmechtig) and Olivia (Zsuzsanna Czibula)

Twelfth Night 2002

Zurück aus London gründeten wir mit einer Kerntruppe der Fahrtteilnehmer die Shakespeare Players mit dem Ziel, nach einem Jahr Probenzeit den Sommernachtstraum aufzuführen. Weitere Schüler wurden dazu gewonnen, denn von Anfang an war es mein Ziel, eine jahrgangsübergreifende Gruppe zu bilden mit Schülern aus der Mittel- und Oberstufe. Glücklicherweise gelingt es immer wieder, Schüler von der 9. bis 13. Klasse zusammenzubringen und gelegentlich auch Siebt- und Achtklässler. Pro Jahr liegt die Zahl der Spieler meist bei über 20 und mit der technischen und künstlerischen Crew kommen wir auf 35 – 40 Teilnehmer an diesem Projekt. Bisher haben 74 Schauspieler, 60 Crewmitglieder und 21 außerschulische Berater bei uns mitgewirkt. Wir finden es wichtig, dass wir trotz unseres Amateurstatus‘ so professionell wie nur möglich spielen. Deswegen laden wir regelmäßig Bühnenprofis ein, die uns in den Bereichen Schauspiel, Regie, Gesang, Musik, Kostümherstellung, Pantomime, Akrobatik, Bühnenkampf, Fechten, Bühnenbau und Beleuchtung beraten und fördern /coachen.

Die Vorbereitungszeit für jede Aufführung beträgt ein Schuljahr mit wöchentlich einer Probe und zwei Intensivprobentagen pro Halbjahr und mehreren Durchläufen mit Kostüm- und Beleuchtungsproben vor der Premiere. Extra Musik-, Tanz- oder Bühnenkampfproben kommen noch zusätzlich dazu. Erfreulicherweise erfahren wir seitens der Kollegen und der Schulleitung große Unterstützung bei unseren Anstrengungen. Es gibt jedes Jahr mehr Bewerbungen um Teilnahme als Rollen zu vergeben sind, nicht zuletzt weil einige ehemalige Shakespeare Players auch nach dem Abitur noch einmal zurückkehren, um eine Rolle zu übernehmen. Zwei unserer Players haben sich sogar für den Beruf des Schauspielers entschieden und wurden am Max-Reinhardt-Seminar in Wien angenommen, zwei weitere bewerben sich zurzeit an anderen Schauspielschulen.

Parallel zu den Proben zum Sommernachtstraum 2001 erwarb ich die zusätzliche Fakultas für Darstellendes Spiel, die mir nach der Aufführung von A Midsummer Night’s Dream erteilt wurde. Der Sommernachtstraum lehrte mich die Höhen und Tiefen der Theater- und Regiearbeit, die zwischen höchst begeisternden Momenten, in denen eine Darstellung schon bei der Probe anrührt oder ’schwebt‘, und den Zeiten der Knochenarbeit des Rollenstudiums, der Inszenierung der Szenen und denen der Entmutigung schwankt, so ein Projekt initiiert zu haben, wenn gar nichts klappt in bezug auf rechtzeitige Auftritte, Textkenntnisse, beharrlich falscher englischer Aussprache oder die fehlende Intensität des Ausdrucks. Zum Glück lernt man als Spielleiter dies als eine notwendige Begleiterscheinung der Probenarbeit zu sehen, die sich regelmäßig wiederholt aber eben dadurch seelisch besser verkraftbar wird. Die Prinzipien learning by doing und stealing ideas from good productions haben meine Regiearbeit bereichert neben den vielen guten How to – Büchern aus dem englischsprachigen Raum zu den Themen Regie, Bühnenbilddesign, Kostümschneiderei, period make up und Sprecherziehung. Zahlreiche gute Ideen kommen ständig von den Schülern selbst, die außerdem zum Teil völliges Neuland betreten, z.B. beim Bau lebensgroßer Schafe für As You Like It, oder dann wenn sie das Fechten oder Rock ’n‘ Roll tanzen lernen müssen. Sollte doch einmal Unlust auftreten bei der einen oder anderen Aufforderung, hilft meist die muntere Ermahnung der anderen Schüler: ‚Tu’s für Shakespeare!‘

Unsere ersten vier Aufführungen wurden vom Berliner Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) mit drei Kameras und extra Tonaufnahmen gefilmt. In den Sommerferien wurden die Endfassungen von den Mitarbeitern des LISUM geschnitten, die dann von einigen Schülern und mir zur endgültigen Version gestaltet wurde, sozusagen ein director’s cut. Inzwischen sind unsere Verfilmungen auch in der Fremdsprachenmediothek der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport entleihbar. Die letzte Produktion haben wir selbst gefilmt und geschnitten, da die Medienabteilung des LISUM leider geschlossen wurde. Da wir viel von den Kollegen gelernt haben, ist unser Filmschnitt von ähnlicher Qualität. Die Filme auf VHS-Kassetten oder im DVD-Format können bei uns erworben werden.

Die Spielfassung des jeweiligen Werkes ist eine gekürzte Version des Originaltextes, die schwer verständliche Passagen, von mir nicht unbedingt als notwendig empfundene Wiederholungen oder Anspielungen, die nicht mehr verstanden werden, weglässt. Der Straffung wegen fallen mitunter Figuren fort, doch werden auch andere erfunden um der inszenatorischen Idee Raum zu geben. Die Spieldauer unsere Aufführungen beträgt meist zwischen 2 und 2 ½ Stunden.

Im Jahr 2001 begannen wir mit der Praxis der Auftritte auf professionellen Bühnen oder an anderen Spielorten und haben seither auf der Open Air Bühne des Berliner Hexenkessel Hoftheaters, in der Sommerakademie für englische Sprache in Wust (Sachsen-Anhalt) und im Zirkuszelt der Shakespeare Company Berlin gespielt, das temporärer Spielort ist bis das Globe Berlin errichtet sein wird.

Seit der ersten Produktion haben sich die Schüler aktiv am theatralen Schaffensprozess beteiligt bei der Einbringung von Spielideen, beim Bühnenbildentwurf und Kulissenbau, bei der Beschaffung und Herstellung der Kostüme, beim Design der Poster, Flyer, Werbebanner oder Eintrittskarten. Von Schülern entwickelt wurden auch unser Logo, das die schwarzen T-Shirts der Teilnehmer ziert und unsere Homepage, die unsere Aktivitäten dokumentiert mit Angaben zu Aktuellem, Fotos der Teilnehmer als auch Szenenfotos, Informationen zu den einzelnen Aufführungen, den Postern, Werbematerialien und den Kritiken, die zum Teil aus der Presse stammen. Damit die Website auch nach dem Weggang ihrer Autoren auf einem aktuellen Stand gehalten werden kann, haben meine Schüler sogar selbst ein Managementprogramm für die Homepage geschrieben, das zum Beispiel das Hochladen der Bilder neuer Mitglieder und der Informationen zum neuen Stück zum Kinderspiel für HTML-unerfahrene Computerbenutzer macht.

Cast of Much Ado About Nothing 2003
Much Ado About Nothing 2003 Hero (Nina Wegscheider), Ursula (Lili Laurisch) and Margaret (Zsuzsanna Czibula)

Much Ado About Nothing 2003

Wir streben abwechslungsreiche Inszenierungen an, was die darstellerischen Mittel, das Komödiantische, die historische Periode, den Auftakt und das Design betrifft. Der Sommernachtstraum (2001) wurde mit einem großen weißen stilisierten Baum in Szene gesetzt, mit aufwendigen Feenkostümen, einem Hofstaat mit rot-schwarzen Kostümen samt Togaschals, rustikalen Handwerkern und den lovers in Jeans oder Sommerkleidern. Die Handlung von Twelfth Night (2002) verlegten wir in die Karibik mit einer 7 Meter hohen Palme hinter Orsinos ‚Casino‘ und einem kleinen Café betreut von Malvolio und Olivias Gefolge. Passend zum Interieur erschien Orsino im weißen Jackett und zweifarbigen Schuhen, sein Gefolge im Hawaiihemd, Olivias Angestellte als Kellner und Sir Toby im Unterhemd.

Much Ado About Nothing (2003) hatte italienisches Flair durch sechs rollende Bühnenelemente, die auf der einen Seite Innenwände waren und auf der Rückwand Gartenspaliere mit Zypressen oder Fenster besaßen, die sich gut für die vielen Lauschaktionen eigneten. Weite Hemdsärmel, Westen mit Capes oder Gehröcke für die Männer und lange Röcke für die Frauen rundeten den historischen Eindruck ab.
Einen Ausflug in die 50er Jahre unternahmen wir mit The Merry Wives of Windsor (2004), komplett mit Eisdiele, Pin Ups und einer Rock ’n‘ Roll Band, den Shakin‘ Shakespeares, die Hits wie ‚Great Balls of Fire‘, ‚Jailhouse Rock‘, ‚Whole Lotta Shakin‘ Going On‘ und ‚Blue Suede Shoes‘ spielten. Petticoats, Ponyschwänze, Perlenketten, eine Schwalbenbrille für Mrs Quickly und enge Röcke trugen zum besonderen Ambiente in dieser Kulisse bei.

2005 zogen wir für As You Like It mit Rosalind, Celia und Touchstone in den Forest of Arden, der als heile pastorale Welt kontrastiert mit der eiskalt-bösen Hofwelt des Duke Frederick. Für diese Aufführung fanden wir Kostüme, mit denen das 18. Jahrhundert nachempfunden wurde, nicht ohne die eine oder andere Brechung. The Winter’s Tale wird ebenfalls an zwei sehr unterschiedlichen Orten erzählt – der bunten, rustikalen Schäferwelt in Böhmen und der eleganten Hofwelt Siziliens, die durch König Leontes‘ eifersüchtigen Zorn zerbricht.

Unsere musikalische Untermalung der Handlung hat sich von eingespielter Musik aus der Konserve (z.B. ‚Isoldes Liebestod‘ zu Thisbes ‚What, dead, my love?‘ im Dream) und der Begleitung eines Sängers mit einem Instrument (z.B. ‚Sigh No More, Ladies‘ bei Much Ado) zu eigenständigeren Formen entwickelt, die neben einer 5-köpfigen Rockband (The Shakin‘ Shakespeares mit Jerry Lee Lewis und Elvis Presley Songs) auch A cappella Gesang (Dowlands ‚Flow My Tears‘) und mehr-stimmige Arrangements von bekannten Songs (z.B. ‚Only You‘ und ‚Mr Sandman‘ in Merry Wives) umfassen. Die erste durchgängig selbstkomponierte Schauspielmusik entstand für die Lieder des Sängers Amiens in As You Like It, aber auch für zusätzliche Songs wie ‚Sweetest rose‘, ein Liebeslied für Rosalind, gesungen von Orlando. Im Winter’s Tale wird dieser Ansatz fortgesetzt mit Liedern für Autolycus und dem Winter Song, der die zentralen Themen Liebe, Eifersucht, Vergeltung, Reue und Vergebung zum Inhalt hat. 2007 wagen wir uns dann an ein selbstkomponiertes Musical heran (The Tempest) mit neuen inszenatorischen Komponenten wie Tanz und Choreographie neben Orchester und Chorgesang.

The Merry Wives of Windsor 2004, Falstaff (Daniel Postpieszala) in hiding
The Merry Wives of Windsor 2004 Postcard
The Merry Wives of Windsor 2004 - The Shakin' Shakespeares (Rafael Rodriguez, Jascha Zube, Timo Steinbrink, Lennart Czienskowski, Kilian Peters, Julian Gebken)
The Merry Wives of Windsor 2004, Peter Simple (Kilian Peters) and Peggy Sue (Katharina Haase)
The Merry Wives of Windsor 2004, Slender (Sven Pohl) and Nym (Kevin Rudolph)
Ringkampf in As You Like It 2005

The Merry Wives of Windsor; As You Like It 2005

Neben den Musikeinlagen und Tänzen sind unsere Bühnenkämpfe stets ein Highlight des Abends, seien es ein Florettduell zwischen Lysander und Demetrius (Dream), das verhinderte, darum aber um so komischere Duell mit Dolchen zwischen Viola und Sir Andrew Aguecheek (in Twelfth Night zur Musik von ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘), Faustkämpfe, zum Teil mit slow motion (Much Ado) oder schließlich der spannende Ringkampf in As You Like It, der unerwartet mit der Niederlage des Champions Charles endet.

Der fremdsprachliche Aspekt der Aufführungen hat natürlich einen wichtigen Stellenwert, da wir originales Shakespeare-Englisch auf die Bühne bringen. Nach anfänglichen Mühen mit thou, thee und thy gelingt es den Schülern dennoch immer wieder, den Text flüssig und ansprechend vorzutragen. Einen großen Anteil daran hat unser language coach und Souffleur, ein Englischlehrer, der während der Proben mit den Schülern Ausspracheübungen macht und Verständnisschwierigkeiten beseitigt. Wie man von Englischkollegen an unserer Schule hört, macht es den Schülern Spaß, mit Sprachbrocken aus den Stücken um sich zu werfen wie ‚Oh no, thou liest‘, ‚Hie thee hither‘ oder ‚there’s a double meaning in that‘,  wie auch bei den Proben schon mal ein ‚fare thee well‘ ertönt.

Solch eine aktive Beschäftigung mit dem Theater und Shakespeare erzeugt natürlich auch eine starke Identifikation der Schüler mit dieser Unternehmung und sorgt für einen intensiven Gruppenzusammenhalt. Besondere Freude macht es mir, über die Jahre hinweg den individuellen Fortschritt der einzelnen Teilnehmer zu beobachten und das Selbstvertrauen, das bei dieser Art von Projektarbeit entsteht, gestärkt zu sehen. Ganz nebenbei hat man natürlich auch eine Reihe von Theaterinteressierten und Shakespearefans gewonnen.

Wir würden uns freuen, Sie einmal persönlich bei uns begrüßen zu können – die aktuellen Aufführungsdaten finden Sie auf unserer Homepage – oder Ihnen eine Aufnahme unserer Produktion zuschicken zu dürfen. Auch für Interesse an unserer Arbeit oder Unterstützung sind wir dankbar!

Bis dahin, ein herzliches rooaaarr!!!

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