Schülertheater – Tipps für Vorbereitung und Planung
Very obviously, each teacher should make use of his or her own particular skills. Drama-trained teachers, and those experienced in acting and performance bring uniquely valuable qualities to the Shakespeare classroom. Such skills should be used to maximise students‘ motivation. Students can learn much from hearing the language spoken well, and seeing their teacher‘s evident enjoyment of Shakespeare. That enjoyment also helps other, less experienced teachers to overcome any initial lack of confidence in the resonance of their voice, and uncertainty about their skill to act a Shakespeare part.
Rex Gibson, Teaching Shakespeare, S. 154.
Einige wenige Vorschläge für ein script approach –Shakespeare spielen auf der Bühne und im Klassenraum
Folgende Techniken eignen sich sowohl als script approaches im Klassenraum als auch als warm-ups beim Erarbeiten eines Bühnenkonzeptes.
I) Classroom drama
Folgende Ideen basieren v. a. auf GIBSON (1998), STREDDER (2009) und BANKS (2014) und bieten gute Einstiegsmöglichkeiten auch für jüngere Lerngruppen, bieten aber auch SII-Lerngruppen die Möglichkeit, Shakespeares Text näher zu ergründen und die eigenen kreativen und darstellerischen Möglichkeiten zu schulen:
a) Acting a scene (vgl. z. B. GIBSON, S. 161 ff.)
Erstes Durchlesen der Szene mit verteilten Rollen; zweites (bzw. drittes) Durchlesen mithilfe der W-Fragen Who are these characters, What’s going on, Where is all this taking place, Why do the characters say these lines and do these things?; Vorbereiten der Szene mithilfe der Frage nach Auf- und Abgängen, Publikum, Sprechmodi und Gesten der individuellen Figuren, Bewegung und Positionierung der Figuren. Mehrere Gruppen können so bestimmte Szenen aus einem Stück mit Unterstützung des Lehrers vorbereiten und vor der Lerngruppe oder Publikum aufführen und ggf. diskutieren. Als Alternative eignet sich eine arbeitsteilige Erarbeitung unterschiedlicher Aufführungskonzepte für Stückanfänge oder –enden. Diese beiden Variationen können u. U. auch pantomimisch umgesetzt werden. Dieser Ansatz lässt oft bei SchülerInnen den Wunsch aufkommen, das Stück als Ganzes zu spielen.
b) Story pictures (BANKS; S. 77 ff.; vgl. auch STREDDER, S. 180 ff.)
Jeder Akt eines Stückes wird in drei Teile geteilt, der in je einem Absatz zusammengefasst wird. Jeder Absatz wird wiederum in einem Satz zusammengefasst. Die resultierenden 15 Sätze werden von den SchülerInnen mit je einem Standbild/Schlüsselsatz dargestellt und in der Gruppe diskutiert (zur Erarbeitung der Struktur eines Stücks, bzw. Handlungs- und Charakterentwicklung; gut geeignet als Zusammenfassung des Stücks am Ende einer Unterrichtseinheit).
c) Archetypes (nach Glynn Macdonald, BANKS, S. 39 ff.)
Als allgemeiner Warm-Up zu beginn einer Unterrichtsreihe zu Shakespeare oder am Beginn einer Produktion zur Charakterfindung, bzw. als Vorsprechübung einzusetzen. Der Lehrer gibt mehrere Archetypes (etwa King/Queen, Warrior, Carer, Lover, Villain, Trickster, etc.) vor und diskutiert mit der Lerngruppe die psychlogischen und physischen Eigenschaften einer solchen Figur. Anschließend erhält jeder archetype eine „typische“ Zeile. Die S‘ bewegen sich daraufhin im Plenum frei und spielen ihren archetype unter Verwendung dieser Zeile nach ihren Vorstellungen. Eine interessante Variante ist, Zeilen zu wählen, die alle von ein und derselben Figur gesprochen werden.
d) Key lines (nach M. STAPPER-WEHRHAHN, Düsseldorf)
Szenen werden auf wenige Schlüsselzeilen reduziert und weitgehend stumm oder pantomimisch dargestellt (z. B. der Streit zwischen Capulets und Montagus (Einziges Wort: „Friedensfeinde!“ am Schluss der Szene) oder die Trauer um die vermeintlich tote Julia als Sprechkanon in Romeo and Juliet); diese Methode kann auch ohne weiteres in eine Komplettinszenierung eingebaut werden.
e) Follow my leader speech (nach Cicely Berry, STREDDER, S. 128 ff.)
Eine gute Technik, um non-native speakers an die Sprache Shakespeares heranzuführen und „Shakesfear“ zu überwinden. Die Gruppe spricht und spielt im Raum verteilt in fließender Bewegung den vom leader gesprochenen Text nach. Sehr effektiv, setzt aber eine gewisse schauspielerische Begabung des leader voraus. Leaders können wechseln, indem der Text herumgereicht wird.
f) Points of view (STREDDER, S. 182)
S‘ stellen die Handlung des Stückes szenisch aus der Sichtweise unterschiedlicher Figuren dar und treten in diesem zusammenhang mit anderen Figuren in spontanen Dialog. Gute Übung für kreatives Schreiben und szenisches Spiel.
II) Szenische Lesetechniken (STREDDER, S. 136 ff.)
a) Reading together
Nach Entlastung durch den Lehrer liest die Lerngruppe eine Szene im Chor, bzw. die verschiedenen Rollen werden verteilt von verschiedenen S-Gruppen gelesen.
b) Reading around the circle
Lesen im Kreis, wobei Übergänge durch sogenanntes „chiming“ reizvoll gestaltet werden können, indem wie bei einem Staffellauf Übergangszeilen von „alten“ und „neuen“ Lesern synchron gelesen werden können.
c) Reading on the move
S‘ bewegen sich frei im Raum und können so das dramatische Potential des Textes besser ausschöpfen. Bei der prompter technique souffliert der führende S1 seinem „Folger“ S2, der die Zeile dann laut spricht und spielt. Bei der hypnosis technique (gut geeignet für die dagger soliloquy in Macbeth oder Iagos Gespräche mit Othello) „zieht“ S1 S2 hinter sich her, indem er S2 seine Hand oder einen Gegenstand fixieren lässt, den er in der Hand hält und ihm gleichzeitig souffliert.
III) Leitfragen bei der Planung einer Produktion
⁃ Auswahl des Stückes (Was wollen S‘? Was will L? Welche Stücke kommen in Betracht?)
⁃ Auswahl der Sprache und der Textversion (Original? Schlegel/Tieck? Günther (Tipp!!=> Hartmann & Stauffacher Verlag)?); Rechte?
⁃ Wer nimmt Textkürzungen und Streichungen vor?
⁃ Besetzung und Vorsprechen: Welche Szenen/Auszüge? Rollenpräsentation? Wer besetzt?
⁃ Welche Gruppen benötige ich außer den Schauspielern? Backstagers (=> Technik, Kostüme und Requisite; Maske; InspizientIn; Souffleur); PR-Gruppe (=> Gestaltung und Anfertigung von Postern, Flyern, Tickets; Programmheften)
⁃ Welche fächerübergreifenden Aktivitäten bietet das Stück (Bühnenbild, musikalische und tänzerische Gestaltung, Fechtszenen; Anfertigung von Kostümen)?
⁃ Regieassistenz? Inspizienz? Scriptgirl?
⁃ Programmheft => Synopse, Artikel, Besetzung, Rollenbeschreibungen durch die S‘
⁃ Aufführungsort, Anzahl der Aufführungen; Gastronomie
⁃ Inszenierungskonzept, special effects (z. B. Projektionen, Filmsequenzen, o. ä.)
⁃ In welcher Rolle sehe ich mich als RegisseurIn? Welchen Einfluss sollen die S‘ auf die Inszenierung haben?
⁃ Zeit und Probentermine; Erstellung eines Probenplans
⁃ Eine lohnende Alternative zu einer Gesamtproduktion ist ein sog. Themenabend (z.B. Shakespeare’s heroines oder The Sonnets).
IV) Zwei Theaterstücke, die auf Shakespeares Dramen gründen – ein Vorschlag für die Bühne:
a) Michael Lesslie, Prince Hamlet (London 2011, Spielzeit ca. 50 Minuten). Das spannende und flott spielbare Stück ist zehn Jahre vor der Handlung von Shakespeares Hamlet angesetzt und erlaubt es den Schülerinnen und Schülern, sich den Persönlichkeiten besonders der jugendlichen Figuren Hamlet, Laertes und Ophelia spielerisch anzunähern. Ophelia wird von Lesslie im gegensatz zu Shakespeares Figur als eine selbstbewusste und intelligente junge Frau mit Initiative dargestellt, was v. a. Schülerinnen ansprechen wird. Hinzu kommt der Aspekt des Infragestellens des in Hamlet insinuierten Vater-Sohn-Verhältnisses zwischen Hamlet und Old Hamlet, und eine Nuancierung der Figurenzeichnung des Claudius, beides Motive, die eine Aufführung lohnend erscheinen lassen. Der Text ist stilistisch an Shakespeares Sprache angelehnt, ohne gekünstelt zu wirken. Eine gut les- und spielbare Annäherung an den „Titan“ Hamlet.
Eine deutsche Übersetzung liegt nicht vor, eine Übersetzung des im übrigen leicht verständlichen englischen Textes dürfte aber nicht allzu schwer fallen.
b) Sharman Macdonald, After Juliet (London, 1999). Ein moderneres Stück als Prince, sowohl was Stil als auch Inszenierungsvorschläge anbetrifft. Im Gegensatz zu Prince of Denmark ist After Juliet unmittelbar nach der Handlung von Shakespeares Stück angesetzt. Shakespeares Rosalinde, ein bloßes dramaturgisches Versatzstück in Romeo and Juliet, erhält hier die zentrale Rolle des Stückes, eine junge Frau, die mit der Katastrophe, die Romeos Tod ihr bedeutet, nicht zurecht kommt und auf Rache sinnt. Julia, die ewige Konkurrentin, ist omnipräsent, Rosalindes Schicksal das der ewigen Zweiten, die nun ihre Chance gekommen sieht. Romeos Cousin Benvolio macht ihr den Hof, eine Parallele zu Shakespeares Stück, die ebenso in die Katastrophe führt wie Romeo and Juliet. Psychologisch dichtes, stimmiges und anspruchsvolles Stück, welches auch als Lektüre im Unterricht verwendet werden kann.
Auch hier liegt eine deutsche Übersetzung noch nicht vor.
Literatur:
BANKS, Fiona: Creative Shakespeare. The Globe Education Guide to Practical Shakespeare, London 2014.
GIBSON, Rex: Teaching Shakespeare, Cambridge 1998.
LESSLIE, Michael: Prince of Denmark. A Play, London 2011.
MACDONALD, Sharman: After Juliet, London 1999
ROKISON, Abigail: Shakespeare for Young People. Productions, Versions and Adaptations, London 2013.
STREDDER, James: The North Face of Shakespeare. Activities for Teaching the Plays, Cambridge 2009.
V) Mit Shakespeare gegen „Shakesfear“ – angesichts reduzierter Lehrpläne, der im Zuge von G8 verkürzten Zeit zum gründlichen Studium der englischen Sprache und Kultur und einer seit jeher unter Schülerinnen und Schülern verbreiteten Angst vor der Auseinandersetzung mit dem „literary giant“ Shakespeare bietet das Schülertheater neue Chancen einer schülergerechten und anspruchsvollen Annäherung an das Werk Shakespeares.
Sowohl die gegenwärtige Fachdidaktik als auch die aktuellen Kernlehrpläne und Richtlinien fordern eine schülerzentrierte Herangehensweise an das Thema Shakespeare in der Oberstufe. Hierbei steht die so genannte gegenwartsbezogene Perspektivierung im Mittelpunkt, die das didaktische Hauptgewicht auf soziale und ästhetische Gegenwartsfragen legt und es Lernenden ermöglichen soll, Shakespeares Werk auf seine unmittelbare Lebenswelt zu beziehen und in diesem Kontext individuell zu deuten. Eine zentrale Rolle spielt hierbei das Konzept der Berücksichtigung der veränderten medialen Erfahrungswelten der Lernenden (z. B. die Rolle des Internets, aber auch Filme, Musik, moderne Adaptionen, Comics), die den Lernenden in seinem Zugang zum Werk Shakespeares unterstützen soll. Der Aspekt zeitgenössischer Adaption spielt (womöglich im Zuge von G8 auch aus zeitökonomischen Gründen) eine zusehends zentrale Rolle. Im GK Englisch ist die Lektüre eines kompletten Stücks längst nicht mehr vorgeschrieben, stattdessen nur ein Vergleich ausgewählter Szenen mit einer modernen Filmversion.
Es besteht allerdings hierbei die Gefahr, dass Lernende mit o. g. didaktisch-methodischer Herangehensweise Shakespeares Werk nur sehr oberflächlich kennen lernen, bzw. keine Chance erhalten, Shakespeares literarischen und ästhetischen Wert für den modernen Menschen angemessen zu durchdringen, zu erkennen und zu würdigen.
Das o. g. Konzept mag auch dem Bemühen geschuldet sein, die durchaus vorhandene Furcht vieler Lernender vor dem literary giant Shakespeare, v. a. vor seiner Sprache, zu zerstreuen. Die Erfahrung hat allerdings gezeigt, dass die meisten Schülerinnen und Schüler trotz dieser Vorbehalte den “echten” Shakespeare kennen lernen wollen, dass sie seine Wertigkeit als Vermittler von Erkenntnis und Wahrheit als wesentlichen Bestandteil von Bildung anerkennen und einfordern.
Es erstaunt, dass angesichts dieses vorhandenen Interesses an Shakespeare und im Kontext einer Forderung nach schülerzentriertem Unterricht das Schülertheater in Deutschland noch immer ein Schattendasein führt, wogegen es in den angelsächsischen Ländern einen festen Platz im Fächerkanon hat. Erfahrung hat gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler vor allem im darstellenden Spiel eine große Motivation aufweisen, sich dem Thema Shakespeare zu nähern. Zwar bilden Elemente des darstellenden Spiels wie etwa Standbilder, das Spielen von individuellen Szenen, bzw. Ausschnitten, der Besuch von drama workshops mittlerweile Bestandteile des fachdidaktischen Kanons, doch ist das Schülertheater noch immer weit gehend der Initiative einzelner shakespearebegeisterter Pädagogen überlassen. James Stredder, Isolde Schmidt und Jürgen Beneke haben u. a. darauf hingewiesen, dass Schülertheater nicht nur literarisches Wissen und interkulturelle Handlungsfähigkeit vermittelt, sondern dass der Prozess einer gemeinsamen Inszenierung und Aufführung zahlreiche kreative und soziale Fertigkeiten, bzw. soft skills stimuliert und vertieft. Das gemeinsame Erfolgserlebnis, ein Stück von Shakespeare gespielt zu haben, ist geeignet, nicht nur das Selbstbewusstsein zu stärken durch die Erkenntnis, Shakespeare “geschafft zu haben”, es ist auch geeignet, die Liebe zu Shakespeare ein Leben lang aufrecht zu erhalten.
Die Aufführung eines Shakespeare-Stücks im Sinne des script approach (Gibson) bietet zudem große Chancen für den fächerübergreifenden Unterricht, etwa im Hinblick auf die künstlerische, musikalische und tänzerische Ausgestaltung des Stückes. Was die Sprache anbelangt ,so ist zu erwägen, ob die Hinführung zu Shakespeare und seinem Werk an sich und theaterpädagogische Aspekte eine Aufführung auf Deutsch rechtfertigen. In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass ein nicht mit der Sprache Shakespeares vertrautes deutsches Publikum dem Stück im Original nur sehr schwer folgen können wird. Die Rolle des Lehrers sollte durchaus die eines Regisseurs sein. Zwar sollte die Inszenierung und Erarbeitung des Stückes auf Diskurs mit den Lernenden beruhen, doch ist eine übergeordnete Instanz notwendig, die der Arbeit Kohärenz und Form gibt und Schülerinnen und Schülern ein Gefühl der Ermutigung, Kritik und Orientierung vermittelt.
Es folgt aus diesen Erwägungen die Forderung, dem darstellenden Spiel und dem Erarbeiten von Schulaufführungen von Shakespeares Dramen in der Didaktik des Faches Englisch größere Aufmerksamkeit einzuräumen, da dieser Bereich großes pädagogisches und fachspezifisches Potential birgt.
Ein Beitrag des „Forum Shakespeare und Schule“ unserer Frühjahrstagung in Berlin 2015 mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jan Eschbach, Erzbischöfl. Gymnasium Marienberg.